Der 26. Januar 2023 ist für die Zukunft des Drohnenverkehrs in Europa ein entscheidendes Datum. An diesem Tag tritt die europäische U-Space-Verordnung in Kraft. Dann können die ersten U-Spaces (Lufträume für Drohnen) in Europa entstehen. Bei der Umsetzung der europäischen Verordnung in nationales Recht haben die Mitgliedsstaaten Freiräume, wie sie diese gestalten. Im Interview mit dem Drones-Magazin beschreibt Sebastian Törsleff, welche Voraussetzungen und Herausforderungen er dabei für Deutschland sieht und wie er sich eine Umsetzung vorstellt. Wir stellen die wichtigsten Punkte vor:
Der Konformitätsüberwachungsdienst prüft, ob eine erteilte Fluggenehmigung eingehalten wird. Mit diesem Dienst können USSPs (U-Space Service Provider) unter anderem sehen, ob sich eine Drohne in dem für sie reservierten Luftraum befindet und sie die Anforderungen der U-Space Regulierung erfüllen. Falls dies, auch trotz einer bestehenden Fluggenehmigung, nicht der Fall ist, werden sie darüber informiert. Ebenso werden die Drohnenpiloten, die sich in der Nähe befinden sowie Flugverkehrsdienststellen und U-Space Dienstleister gewarnt.
Sebastian Törsleff empfiehlt, dass der Konformitätsüberwachungsdienst als fünftes USSP-Merkmal, neben den vier von der EU-Regulierung vorgeschriebenen*, in deutschen U-Space Lufträumen als obligatorischer Dienst festgelegt wird. Ziel einer solchen Einführung ist es, dass ein höheres Sicherheitsniveau und eine höhere Effizienz des Luftraumes erreicht wird.
Ohne die obligatorische Einführung des Konformitätsüberwachungsdienst müssten die Akteure selber beurteilen, ob – beispielsweise bei einem technischen Defekt – ein UAS (Unmanned Aircraft System) den genehmigten Betriebsraum verlässt und somit für den eigenen Betriebsbereich ein Sicherheitsrisiko darstellt. Hierbei würden UAS-Betreiber den Verkehrsinformationsdienst nutzen. Andere Akteure, wie BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) oder die Flugverkehrskontrollstelle, würden den Netzidentifizierungsdienst nutzen. Diese Dienste stellen aber keine ausreichenden Informationen zur Verfügung. Die Daten umfassen nur die Position und den Notstatus eines UAS, nicht aber die geplante Flugbahn.
Der Konformitätsüberwachungsdienst hingegen ermöglicht es, Fly-aways frühestmöglich zu erfassen und betroffene Akteure zu warnen. Dadurch können frühzeitig Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, falls Drohnen aufgrund von technischen Problemen oder menschlichem Versagen ihren zugeordneten Luftraum verlassen.
*Die vier obligatorischen Dienste der U-Space-Verordnung, die in allen U-Spaces durch die USSPs bereitzuhalten und zwingend von UAS-Betreibern zu nutzen sind, sind der Geo-Sensibilisierungsdienst, der UAS-Fluggenehmigungsdienst, der Verkehrsinformationsdienst sowie der Netzidentifizierungsdienst. Optionale Dienste sind der Konformitätsüberwachungsdienst und Wetterinformationsdienst. Diese können von den Mitgliedstaaten zu obligatorischen Diensten erklärt werden.
Sebastian Törsleff
Im U-Space-Luftraum sind verschiedene Akteure tätig: z.B. UAS-Betreiber, USSP, BOS und andere. Der Single Common Information Service Provider (einziger Anbieter gemeinsamer Informationsdienste), oder kurz SCISP erfüllt hierbei eine kritische Funktion, da er gewährleistet, dass alle erforderlichen Informationen zwischen diesen Akteuren ausgetauscht werden können – quasi eine Datendrehscheibe.
Das UDVeo-Projekt spricht sich für eine gemeinsame Entwicklung eines Open-Source-SCISP aus, der die Grundfunktionalität gemeinsamer Informationsdienste bereitstellt. Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass aufgrund der Neuheit des Themas nur durch Kooperation der verschiedenen Akteure eine entsprechende Verlässlichkeit ermöglicht wird und ein zentrales Modell effizienter ist. Zudem kann so neues Wissen schnell eingebracht und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden. Damit ein solches Modell keine Innovationen verhindert wird die Umsetzung als staatlich initiiertes und initial finanziertes Open-Source-Projekt empfohlen. Auf diese Weise können Wirtschaft und Behörden eng zusammenarbeiten und den SCISP kontinuierlich an die wachsenden Marktanforderungen anpassen.
Sebastian Törsleff
Zivile bemannte Luftfahrzeuge müssen im urbanen Raum eine Mindesthöhe von 300 Metern über dem höchsten Hindernis einhalten, während U-Space-Lufträume wahrscheinlich vorerst eine Höhenbegrenzung von 150 Metern haben. Daher gibt es außerhalb von Notsituationen – hierfür könnten zum Beispiel ATM-Systeme der Deutschen Flugsicherung erweitert und an einen SCISP angeschlossen werden – keinen Konfliktfall.
Taktische Konflikte können hingegen auftreten, wenn BOS-Hubschrauber wie beispielweise ein Rettungshubschrauber die Flugbahn eines UAS in einem U-Space kreuzen. BOS-Hubschrauber können in urbanen Gebieten im unteren Luftraum fliegen, wo aufgrund von Gebäuden der Datenempfang von radar- und funkbasierten Technologien gestört ist. In Hamburg sind daher Hubschrauber erst ab einer Flughöhe von 50 Metern sichtbar.
Aufgrund ihrer besonderen Sicherheitsrelevanz müssen Polizei- und Rettungshubschrauber in alle U-Spaces einfliegen können. Um Konflikte mit UAS zu vermeiden, bedarf es daher der Integration des bemannten BOS- mit dem UAS-Verkehr und eines strukturierten Prozesses, bei dem auch Ziel und Route des BOS-Hubschraubers für die U-Space-Teilnehmer eine verfügbare Information ist, um frühzeitig reagieren zu können. Für die Erstellung eines solchen Prozesses sollten die Rettungsleitstellen von Polizei- und Feuerwehr einbezogen werden. Ziel ist, dass großflächige Luftraumbeschränkungen nur in Ausnahmenfällen notwendig werden, beispielsweise wenn aufgrund eines akuten Einsatzes die Route eines BOS-Hubschraubers nicht vorhersehbar ist.
Deutschland ist technisch hervorragend für U-Spaces aufgestellt. Für deren sichere Umsetzung in Deutschland bedarf es der politischen Rückendeckung und Finanzierung. Perspektivisch ist es wünschenswert, dass ganz Deutschland zu einem U-Space wird. Nur mittels der U-Space-Dienste kann ein zunehmendes Aufkommen von UAS-Flügen sicher und effizient gemanagt werden.
Für die initiale Phase empfiehlt Sebastian Törsleff eine Vielzahl kleinerer U-Spaces, um zunächst im kleinen Rahmen praktische Erfahrungen zu sammeln und anschließend sicher skalieren zu können. Wichtig ist hierbei, dass die Ausgestaltung der U-Spaces sich an den technischen Fähigkeiten der UAS orientiert und das Spektrum unterschiedlicher technologischer Reifegrade bedient, um niemanden auszuschließen.
Nur über die Koordination und Kommunikation aller Akteure miteinander und dem Lernen voneinander werden U-Spaces zu einem globalen Erfolgsmodell.
Sebastian Törsleff
Sebastian Törsleff ist bei HHLA Sky für die Entwicklung von UTM-Lösungen zuständig. Zuvor war er als Leiter des Forschungsprojektes UDVeo (Urbaner Drohnen-Verkehr effizient organisiert) maßgeblich an den dort entwickelten Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der europäischen Vorgaben für U-Spaces beteiligt.
HHLA Sky ist Mitglied des Konsortiums von UDVeo, ebenso ist die HHLA Sky Projektpartner des Projektes LUV, dessen Zielsetzung es ist, Handlungsempfehlungen für die nationale Umsetzung der U-Space-Verordnung der Europäischen Union (DVO (EU) 2021/664) unter Berücksichtigung von technischen, rechtlichen und organisatorischen Zusammenhängen zu erarbeiten.
Das Drones-Interview mit Sebastian Törsleff kann hier nachgelesen werden: